Prof. Dr. Martin Kiehl
TU Darmstadt
Mathematische Modellierung beginnt bei einem realen Problem und sucht dann nach passenden mathematischen Beschreibungen. Darin unterscheidet sie sich grundsätzlich von typischen Anwendungsaufgaben aus der Schule, bei denen eine mathematische Methodik am Anfang steht und dann Anwendungsmöglichkeiten für genau diese soeben erlernte Methodik gesucht werden.
Da bei Vorgabe eines Modellierungsproblems nicht bekannt ist, welche mathematischen Methoden zur Verfügung stehen und welche Methoden am besten passen, ist Mathematische Modellierung eine extrem offene Aufgabenstellung mit schwer abzuschätzenden Lösungswegen. Sie eignen sich besonders gut, um alle in der Vergangenheit erlernten grundlegenden Methoden zu wiederholen und auf ihre Anwendbarkeit hin im vorliegenden Problem zu prüfen. Reichen die vorhandenen Methoden nicht aus, um ein Problem optimal zu lösen, muss man Abstriche am Modell machen und sich mit guten Lösungen zufrieden geben. Zum Beispiel muss man manchmal auf quantitative Ergebnisse verzichten und mit qualitativen Aussagen vorlieb nehmen. Eine Diskussion der Genauigkeit der Modelle und der Verlässlichkeit der Aussagen ist daher unabdingbar.
Das Zentrum für Mathematik veranstaltet jährlich Mathematische Modellierungswochen unter optimalen Rahmenbedingungen für hoch motivierte und ausgewählte Schüler. Unter diesen Bedingungen entstehen fast selbständig sehr gute Modelle für anspruchsvolle Aufgabenstellungen und die dazugehörigen Lösungen. An einzelnen Beispielen (Festlegung von Thunfischfangquoten, Sterilisation von Konservendosen, GPS, Tanklevelmessung bei einem Bagger) wird aber auch gezeigt, wie man durch Modifikation dieser Aufgaben und einfache Hilfestellungen auch einfachere Modelle und Aufgaben erstellen kann, die auch unter weniger guten Rahmenbedingungen zu relevanten Ergebnissen führen.